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ein Beitrag von Dr. Sebastian Lakner und Dr. Carsten Holst der Abteilung Agrarpolitik der Universität Göttingen

Mit der letzten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wurden 30% der Direktzahlungen aus der ersten Säule der europäischen Agrarförderung an die Einhaltung bestimmter Greening-Kriterien geknüpft. Seit 2015 müssen konventionell wirtschaftende Betriebe mit mehr als 15 ha Ackerland hiervon 5 % als ökologische Vorrangfläche (ÖVF) ausweisen. Das Ziel der ökologischen Vorrangfläche ist lt. EU-Verordnung 1307/2013 (Ziffer 44) der Schutz der „biologischen Vielfalt in Betrieben“. In der Umsetzung können Landwirte aus verschiedenen, beliebig kombinierbaren Optionen wählen, wie sie diese Auflage betriebsindividuell erfüllen möchten. Für die einzelnen Maßnahmen sind entsprechend ihrer ökologischen Wertigkeit Gewichtungsfaktoren zwischen 0,3 für Zwischenfrüchte und Untersaaten bis zu 2,0 für Hecken und Baumreihen festgelegt worden. Demzufolge entspricht beispielsweise 1 m² Zwischenfruchtanbau einer ÖVF von 0,3 m², während jeder Quadratmeter einer Hecke oder Baumreihe wegen des deutlichen höheren Nutzens für die Biodiversität in Agrarlandschaften als 2 m² ÖVF angerechnet werden.

Im Rahmen der Omnibus Verordnung (EU VO 2017/2393) wurden u.a. kleinere Änderungen bei den Greening-Regelungen ab 2018 vorgenommen. Zukünftig dürfen zum Schutz der Biodiversität generell keine Pflanzenschutzmittel auf ÖVF angewendet werden. Somit entfällt die bisherige Ausnahmereglung für den Anbau von Leguminosen. Im Gegenzug wurde deren Gewichtungsfaktor von 0,7 auf 1,0 erhöht. Des Weiteren wurden einige neue ÖVF-Optionen ermöglicht, u.a. die Einsaat von Honigpflanzen auf brachliegenden Flächen (den sog. „Bienenweiden“) mit dem Gewichtungsfaktor 1,5. Im folgenden Beitrag stellen wir für Niedersachsen dar, wie Landwirte auf diese Änderungen reagiert haben, welche biodiversitätswirksamen Effekte die ÖVF in Niedersachsen leisten und welche Rückschlüsse hieraus für die Biodiversitätsförderung in der kommenden GAP-Förderperiode 2021-2027 gezogen werden können. Das verwendete Datenmaterial wurde freundlicherweise vom Landesamt für Statistik zur Verfügung gestellt.

1.Wie wirkt das Verbot von Pflanzenschutzmitteln auf den Anbau von Leguminosen als ÖVF?

Der Anbauumfang von Leguminosen schwankte schon in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder in Abhängigkeit von politischen Entscheidungen. Durch hohe staatlich garantierte Mindestpreise wurden in den Jahren 1987 und 1988 allein in Niedersachsen mehr als 35.000 ha mit Ackerbohnen und Futtererbsen bestellt, was ein Allzeithoch war. Fallende Erzeugerpreise führten anschließend wieder zu einer deutlichen Reduzierung der Anbaufläche. Zuletzt wurde den Landwirten noch zwischen 2005 und 2008 eine Eiweißpflanzenprämie in Höhe von knapp 56 €/ha (zusätzlich zu den Direktzahlungen) gewährt. Danach pendelte sich der Anbau von Leguminosen in Niedersachsen auf etwa 4.000 ha ein. Erst die Notwendigkeit ÖVF bereitzustellen, führte im Jahr 2015 wieder zu einem sprunghaften Anstieg auf über 10.000 ha, was in etwa 0,5 % des Ackerlandes in Niedersachsen entspricht. Bis 2017 wurden mehr als 70 % davon als ÖVF angemeldet, während die verbleibenden rund 3.000 bis 4.000 ha vermutlich im Wesentlichen von ökologisch wirtschaftenden Betrieben ohne ÖVF-Verpflichtung bewirtschaftet wurden.

Trotz der Anhebung des Gewichtungsfaktors für Leguminosen von 0,7 auf 1,0 legen die Zahlen für 2018 nahe, dass Landwirte hierin keine entsprechende Kompensation für das Verbot des Pflanzenschutzmitteleinsatzes auf ÖVF sehen, denn die Fläche der als ÖVF angemeldeten Leguminosen ist um mehr als zwei Drittel gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Dennoch führte diese Entwicklung keinesfalls zur Einschränkung der niedersächsischen Leguminosen-Anbaufläche insgesamt.

Somit halten viele Landwirte den Pflanzenschutzmitteleinsatz beim Anbau von Leguminosen für unverzichtbar und wählen stattdessen andere Optionen, um ihre ÖVF-Verpflichtung zu erfüllen. Dennoch scheint der Anbau von Leguminosen inzwischen auch ohne ÖVF-Anrechnung für Landwirte interessant zu sein. Die Entwicklung mag auch in der 2017 novellierten Düngeverordnung begründet sein, denn durch die Einbeziehung von Leguminosen (stickstofffixierende Pflanzen ohne wesentlichen N-Düngebedarf) in Fruchtfolgen kann der maximal zulässige N-Saldo in der betrieblichen Nährstoffbilanz leichter eingehalten werden.

2. Welche Veränderungen lassen sich 2018 bei Auswahl verschiedener ÖVF-Optionen feststellen?

Landwirte werden bei der Entscheidung, welche Optionen sie zur Erfüllung der ÖVF-Vorgabe nutzen, die mit den jeweiligen Maßnahmen verbundenen Kosten sowie die einzelbetrieblichen Gegebenheiten berücksichtigen. Folglich führte die Omnibus-Verordnung zu einem Rückgang des ÖVF-Flächenanteils von Leguminosen im Jahr 2018 (von ca. 2,5 % auf 0,8 % der ÖVF, in der Abb. orange). Gleichzeitig nutzten niedersächsische Landwirte die Option der Bienenweide gleich im ersten Jahr auf rund 4.050 ha (1,4% der ÖVF, in der Abb. hellblau). Ein direkter Zusammenhang zwischen diesen beiden Entwicklungen lässt sich bei detaillierter Betrachtung der Daten auf Ebene der niedersächsischen Landkreise aber nicht bestätigen, d.h. Landwirte werden nicht zwangsläufig die Bienenweide als neue Option wählen, sondern auch auf andere Maßnahmen ausweichen, wenn sie den Leguminosen-Anbau nicht mehr als ÖVF nutzen. 

Ob die Bienenweide auch über 2018 hinaus in diesem Umfang als ÖVF-Option genutzt wird, bleibt abzuwarten. Eigentlich sieht diese Option vor, dass Brachflächen mit einer speziellen Mischung von mindestens zehn Arten bei einjähriger Anlage oder mindestens zwanzig Arten bei dreijähriger Anlage angesät werden, die in Anlage 5 der Direktzahlungsdurchführungsverordnung genannt sind und vor allem über den Sommer Blüten für Bienen bieten sollen. Ausnahmsweise war es aber 2018 wegen der kurzfristigen Implementierung dieser ÖVF-Option zulässig, lediglich eine einzige Art auszusäen. Landwirte wählten deshalb häufig aus praktischen Erwägungen Ölrettich als günstige Variante aus. Doch ab 2019 sind teurere Saatgutmischungen erforderlich, die aus Sicht der Landwirte wohl nur bei dreijähriger Nutzung interessant sein dürften. Zusätzlich ist der Aufwuchs der Bienenweide im zweiten und dritten Jahr jeweils einmal im Rahmen der Mindesttätigkeit zu zerkleinern und auf der Fläche zu verteilen. Unter diesen geänderten Voraussetzungen lässt sich aktuell nicht abzuschätzen, wie stark die Bienenweide als ÖVF-Option ab 2019 genutzt wird.

3. Welche regionalen Wirkungen auf die Biodiversität sind von ÖVF zu erwarten?

Die ÖVF wurde in Niedersachsen bislang hauptsächlich über die Zwischenfrüchte und Untersaaten umgesetzt, wohingegen die ÖVF-Optionen mit besonders positiver Wirkung auf die Biodiversität wie Brachen, Streifen- und Landschaftselemente selbst unter Berücksichtigung der Bienenweide im Jahr 2018 insgesamt mit einem Anteil von 12,6 % nur eine untergeordnete Rolle spielten.

In einer aktuellen Publikation im „Atlas of Ecosystem Services“ (Springer-Verlag 2019) wird auf Ebene der Landkreise die ökologische Wirkung der ÖVF auf die Biodiversität über den Ecology Score gemessen und in der folgenden Abbildung dargestellt. Auch wenn alle konventionell wirtschaftenden Betriebe mit mehr als 15 ha Ackerland flächendeckend ÖVF bereitstellen müssen, ergeben sich doch ausgeprägte regionale Unterschiede im Hinblick auf den Nutzen für die Biodiversität, weil zwischen einzelnen Landkreisen deutliche Variationen bei der Auswahl der unterschiedlichen ÖVF-Optionen bestehen. Die folgende Abbildung zeigt den berechneten Ecology Score je Landkreis in Niedersachsen:

Insbesondere in Ostniedersachsen sind hohe Werte des Ecology Score zu finden. Hierunter fallen auch die Landkreise Helmstedt und Wolfenbüttel sowie die kreisfreie Stadt Salzgitter, deren Böden entsprechend ihrer Ertragsmesszahlen zu den besten in Niedersachsen gehören. Die Teilnahmerate an freiwilligen Agrarumweltmaßnahmen ist dort aber niedrig, sodass über die Verpflichtung zur Bereitstellung von ÖVF eine Lücke in der Förderung von Biodiversität in Agrarlandschaften geschlossen werden kann.

In den Landkreisen Nordostniedersachsens (Lüneburg, Lüchow-Dannenberg und Uelzen) mit deutlich geringer Bodengüte werden durch die höchsten Teilnahmeraten an biodiversitätsfördernden Agrarumweltprogrammen schon relativ viele positive Effekte erreicht, die noch zusätzlich durch überdurchschnittliche Werte beim Ecology Score über die ÖVF verstärkt werden. Andere Landkreise (z. B. die Region von Nienburg über Diepholz und Vechta bis nach Osnabrück) zeigen aber weder über die freiwilligen Agrarumweltprogramme, noch über die verpflichtenden ÖVF wesentliche positive Effekte auf die Biodiversität (Lakner et al. 2019).

4. Welche Schlussfolgerung kann man für die GAP nach 2020 ziehen?

Landwirte reagieren unmittelbar auf sich ändernde politische Vorgaben, wie das Verbot des Pflanzenschutzmitteleinsatzes bei Leguminosen auf ÖVF und das Anlegen von Bienenweiden im Jahr 2018 belegen. Am häufigsten werden aber zurzeit von den Landwirten ÖVF-Optionen gewählt, mit denen nur geringe Biodiversitätseffekte verbunden sind (Pe’er et al. 2017a). Wesentliche Kritik am Greening insgesamt besteht deshalb in den vergleichsweise hohen Aufwendungen von Budgetmitteln in Relation zum ökologischen Nutzen (Pe’er et al. 2017b: S.6). Aber in einigen Regionen Niedersachsens, in denen bislang nur Biodiversitätseffekte in geringem Umfang über freiwillige Agrarumweltmaßnahmen erzielt worden sind, können ÖVF einen überdurchschnittlich positiven Beitrag leisten.

Nach dem Vorschlag der EU Kommission vom 1. Juni 2018 wird das Greening in der nächsten Förderperiode wahrscheinlich als sog. „Konditionalität“ (Artikel 11) in den Kriterien des „Guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands“ (GLÖZ) wieder auftauchen, auch wenn die Details hierzu noch nicht feststehen. Die Konditionalität ist dabei ein Teil der sog. „neuen Grünen Architektur“ der GAP (vgl. Blogbeitrag von Alan Matthews vom 20.Juni 2018).

Wir stellen uns die Frage, ob dieser Weg richtig ist. Basierend auf dem im Beitrag beschriebenen Anpassungsverhalten der Landwirte sowie den Ergebnisse der räumlichen Verteilung vom Ecology Score in Niedersachsen, ergeben sich drei Optionen mit Blick auf die Förderung der Biodiversität in Agrarlandschaften:

  1. Fortsetzung der ÖVF über die Konditionalität: Landwirte, die Direktzahlungen beantragen, wären dann weiterhin verpflichtet ÖVF bereitzustellen. Um mehr biodiversitätsfördernde Maßnahmen zu etablieren, müsste beispielsweise eine Anpassung der Gewichtungsfaktoren zugunsten der biodiversitätswirksamen Maßnahmen vorgenommen oder ein gewisser Mindestanteil dieser ÖVF-Optionen festgelegt werden.
  2. Förderung der ÖVF über die sog. „Eco-Schemes“: Die Eco-Schemes (oder „Umwelt-Regelungen“) sind Teil der ersten Säule der GAP und sollen laut Vorschlag der EU-Kommission (Artikel 28) von den Mitgliedsstaaten als freiwilliges Angebot für Landwirte ausgestaltet werden. Es wäre möglich, hier biodiversitätswirksame Maßnahmen anzubieten. Ein Problem könnte in der bundeseinheitlichen Ausgestaltung dieser Maßnahmen liegen. Eine abschließende Bewertung ist allerdings noch nicht möglich, da über die nächste GAP-Reform vermutlich erst 2020 entschieden wird (vgl. Blogpost auf Lakners Kommentare) und es gerade bei dieser Maßnahme eine intensive Diskussion mit recht unterschiedlichen Interpretationen gibt.
  3. Verstärkte Biodiversitätsförderung über freiwillige Agrarumweltmaßnahmen: Die ÖVF könnten auch (wie vor 2015) im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen der zweiten Säule angeboten werden. Bei einem Herauslösen der biodiversitätsrelevanten Maßnahmen aus der Konditionalität besteht die Herausforderung darin, auch in ackerbaulichen Gunstregionen die Agrarumweltmaßnahmen so attraktiv auszugestalten, dass sie einerseits im Sinne der Biodiversität wirksam sind und andererseits auch von den Landwirten angenommen werden.

Der Vorteil einer ordnungsrechtlichen Umsetzung liegt im verpflichtenden Charakter der Maßnahme, worunter aber die Akzeptanz und die Motivation der Landwirte für den Biodiversitätsschutz leiden dürften. Zudem ist es in der Regel schwierig, in einem komplexen System verschiedener Maßnahmen, Bedingungen und Auflagen als Staat steuernd einzugreifen, um die gewünschten Biodiversitätseffekte zu erreichen.

Landwirte werden nämlich stets mit kurzfristigen Anpassungsentscheidungen auf sich ändernde ordnungspolitische Vorgaben reagieren. Bei der Förderung der Biodiversität zahlt sich aber langfristiges Handeln in der II.Säule aus.

Insbesondere Maßnahmen, die auf einer Fläche mehrjährig angelegt werden, erbringen in der Regel besonders positive Effekte, was zusätzlich für die Umsetzung biodiversitätsfördernder Maßnahmen über Agrarumweltprogramme mit mehrjähriger Verpflichtungsdauer spricht. 

Quellen:

Lakner S., C. Holst, A. Dittrich, C. Hoyer, G. Pe’er (2019): Impacts of the EU’s Common Agricultural Policy on Biodiversity and Ecosystem Services. S.383-389; In: Schröter M., A. Bonn, S. Klotz, R. Seppelt, C- Baessler (eds) Atlas of Ecosystem Services. Springer, Cham; https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-319-96229-0

 

 

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