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Ein Beitrag von Dr. Sebastian Lakner und Dr. Carsten Holst der Abteilung Agrarpolitik der Universität Göttingen.

An den deutschen Sommer 2018 werden wir uns lange als einen der heißesten und trockensten erinnern. Ein langanhaltendes Hochdruckgebiet brachte hohe Temperaturen in Kombination mit extrem niedrigen Regenfällen. Die Durchschnittstemperatur über den Sommer lag mit 19,3 Grad Celsius um 2,2 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1981-2010, lediglich im Rekordsommer 2003 war es heißer. Über den Sommer fielen im nationalen Durchschnitt 130 l/m², was nur 54% des langjährigen Durchschnitts von 239 l/m2 darstellt. Nur der Sommer 1911 war trockener (siehe Deutscher Wetterdienst). Vor allem in Norddeutschland hatten die Monate Juni, Juli und August deutlich geringere Niederschläge und bei genauem Beobachten der Wetterlage muss man feststellen, dass die Dürre selbst Anfang September noch nicht richtig vorbei ist.

Getreidefeld

Getreidefeld in Südniedersachsen: Die Dürreschäden sind deutlich erkennbar                                     (Quelle: Christian Mühlhausen, http://landpixel.eu)

 

Die Ertragslage im Ackerbau

Die Trockenheit zeigt inzwischen deutliche Auswirkungen in der Landwirtschaft: Im Ackerbau werden seit Ende Juni, als die Getreideernte begann, niedrigere Erträge geschätzt. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die vorläufigen Ernteergebnisse, die das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) am 22. August 2018 veröffentlicht hat und die das Ausmaß Missernte dokumentiert.

Erträge

Regional gesehen war Norddeutschland stärker betroffen als der Süden: Schleswig-Holstein mit niedrigeren Getreideernten (ohne Mais und CCM) von -31,0%, gefolgt von Brandenburg (-27,4%), Sachsen-Anhalt (-25,6%), Mecklenburg-Vorpommern (-25,4%) und Niedersachsen (-19,8%) (siehe BMEL Anlage 2b).

Ein genauer Blick auf die Grafik zeigt jedoch, dass der Ertragsrückgang gegenüber dem letzten Jahr oder dem dreijährigen Durchschnitt 2015-17, wie er im Erntebericht so ausgewiesen ist, nicht unbedingt aussagekräftig ist, da die Entwicklung der Erträge wichtiger Kulturpflanzen einem langfristig ansteigenden Trend unterliegt. Schätzt man diesen Trend als lineare Funktion (wie in der Abbildung geschehen), erhält man einen Schätzwert für das Jahr 2018 und es zeigt sich, dass dieser Schätzwert eines durchschnittlichen Ertrags mit Ausnahme der Gerste oberhalb des Ertragsniveaus von 2017 liegt. (Die Gerste erzielte 2017 einen überdurchschnittlichen Ertrag.) Die folgende Tabelle zeigt den Zusammenhang und die Auswirkungen auf einen vermuteten Ertragsverlust:

Tabelle: Ertragsrückgang lt. Erntebericht 2018 und nach Schätzung eines langjährigen Erwartungswertes

Bildschirmfoto 2018-09-10 um 12.31.09

Quelle: eigene Berechnung nach Daten des BMEL 2018 sowie ZMP 1991-2006 und AMI 2007-2017
1: Die Ernteerwartung 2018 beruht auf einer Schätzung eines linearen Trends der Erträge von 1991 bis 2017.

Es zeigt sich, dass die vermuteten Ernterückgänge basierend auf einem langjährigen Erwartungswert höher ausfallen.

Wie ist die internationale Marktlage für Getreide?

Für die Erlössituation der Betriebe ist i. d. R. eine wichtige Kenngröße der Weltmarktpreis, der sich unter anderem aufgrund von Erwartungen hinsichtlich der globalen Produktion, des Verbrauchs und der Lagerbestände bildet. Das Landwirtschaftsministerium der USA, das United States Department of Agriculture (USDA) gibt hierzu regelmäßig Berichte heraus („World Agricultural Supply and Demand Estimates”, der sog. WASDE-Report), die über die Erntelage in den wichtigen Anbaugebieten der Welt berichten und die teilweise auch auf die Preisbildung einen wichtigen Einfluss ausüben. Am 10. August 2018 hat das USDA seine Ernteprognose für 2018 sowie den Ausblick auf 2018/19 leicht nach unten korrigiert. Laut diesem Bericht wird die globale Ernte 2018/19 wahrscheinlich zum ersten Mal seit 2012/13 wieder deutlich unter der Verwendung liegen. Die globalen Lagerbestände sind nach diesem Bericht auch rückläufig, wie die folgende Abbildung darstellt:

marktlage

Die Preise für Getreide hatten bereits im Laufe des Juli 2018 deutlich angezogen, was die etwas angespannte Erntesituation reflektiert. Überraschenderweise fielen die Preise nach diesem WASDE-Report am 10.08.2018 leicht, was darauf hindeutet, dass Händler die mäßige Erntesituation bereits vorher eingepreist hatten. Diese Preisentwicklung ist auf dem deutschen Markt vollständig angekommen, wie die folgende Abbildung der deutschen Backweizenpreise zeigt. (Es bleibt jedoch offen, ob sich dieser Trend nach oben fortsetzt.)

erzeugerpreis

Die Hitzewelle hat die landwirtschaftlichen Betriebszweige auf unterschiedliche Weise getroffen: Ackerbaubetriebe können zunächst durch etwas angestiegene Preise die Mindererträge etwas ausgleichen. Dies trifft jedoch nicht auf tierhaltende Betriebe zu, die Getreide als Futter selbst verwenden oder über erhöhte Futterkosten auch betroffen sein können.

Sekundären Folgen auf Futterbaubetriebe

Vielfach konzentrierte sich die bisherige Berichterstattung lediglich auf die prozentualen Ertragsausfälle bei Getreide und Raps. Neben Kartoffeln, Mais und Zuckerrüben, über deren Ertragsrückgänge erst in einigen Wochen Klarheit bestehen wird, sind insbesondere Futterbaubetriebe mit den Folgen der Dürre konfrontiert: Auf dem Grünland konnte häufig nur der erste Schnitt geerntet werden. Die Futtervorräte für den Winter sind laut Berichten in vielen Betrieben knapp und müssen – sofern überhaupt möglich – durch Zukäufe ergänzt werden. Aktuell lassen sich deshalb erhöhte Preise für Heu und Stroh beobachten. In Hessen ist ein Preisanstieg um etwa ein Drittel gegenüber dem Vorjahreszeitraum festzustellen (basierend auf Informationen vom Landesbetrieb Hessen). Auch Aufwendungen für außergewöhnliche Futterzukäufe können gemäß der Nationalen Rahmenrichtlinie grundsätzlich als Schaden durch widrige Witterungsverhältnisse angesehen und erstattet werden.

Erhöhte Schlachtzahlen über den Sommer

Ob die Futterreserven reichen werden oder ob es im Laufe der nächsten Monate zu erhöhten Schlachtzahlen in Folge der Futterknappheit kommen wird, wie in verschiedenen Medienberichten zu lesen ist, bleibt abzuwarten. Höhere Schlachtzahlen werden Preissenkungen auf den betroffenen Märkten hervorrufen. Im Juli 2018 konnte bereits ein erhöhtes Schlachtaufkommen bei Kühen festgestellt werden, nicht aber bei Jungbullen, Färsen und Kälbern. Marktexperten der Landwirtschaftskammern Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens begründen diese Beobachtung mit einer vorgezogenen Schlachtung von Tieren, von denen sich die Betriebe ohnehin im Laufe der nächsten Monate getrennt hätten.

Während sich die Schlachtzahlen von Kühen im Jahr 2018 bis einschließlich der Kalenderwoche 26 in etwa auf dem Niveau der Jahre 2015-2017 bewegten und im Jahr 2018 sogar durchschnittlich um 1,3% niedriger ausgefallen waren, ist im Zeitraum zwischen den Kalenderwochen 28 und 31 ein deutlicher Anstieg zu beobachten, sodass durchschnittlich 17,7% mehr Kühe geschlachtet worden sind. Doch schon in den Kalenderwochen 33 und 34 fallen die Kuhschlachtungen schon wieder um 3,2 % bzw. um 6,3 % unter den Durchschnitt der drei vorangegangenen Jahre.

Dieser zwischenzeitliche Anstieg der Schlachtzahlen, der sich über sechs Wochen erstreckte und insgesamt etwa 1,55 % der Jahresschlachtaufkommens bei Kühen entsprach, führte zu einer Preissenkung um mehr als 15 % innerhalb von sieben Wochen (KW 26 bis KW 33). Während der Erzeugerpreis für Schlachtkühe in der ersten Jahreshälfte 2018 immer über dem Durchschnitt der drei Vorjahre lag (zuletzt um 6,1 % im Durchschnitt der Kalenderwochen 24 bis 26), kehrte sich das Bild durch das erhöhte Schlachtaufkommen innerhalb weniger Wochen um. Auch wenn die Schlachtzahlen ab der Kalenderwoche 33 schon wieder ein leicht unterdurchschnittliches Niveau erreicht haben, ist der Marktpreisverfall hierdurch bislang nur gestoppt worden, aber der Erzeugererlös konnte noch nicht wieder das vorherige Niveau von mehr als 300 Euro je 100 kg Kaltgewicht erreichen. Die aktuelle Überversorgung des Marktes mit Kuhfleisch aus den vergangenen Wochen sowie die Annahme, dass die Schlachtzahlen in den kommenden Wochen und Monaten wegen der Futterknappheit wieder zunehmen könnten, sind als Gründe hierfür anzusehen.

Schlachtpreise

Quelle: Eigene Darstellung und Berechnungen auf Grundlage der vorläufigen Wochenberichte über Schlachtvieh und Fleisch der Bundesanstalt für Ernährung und Landwirtschaft

Allein auf diesem speziellen Markt entstehen für die landwirtschaftlichen Betriebe deutschlandweit Erlösausfälle im Millionenbereich, egal wie stark ein einzelner Betrieb von der Dürre betroffen ist. Die folgende Abschätzung des Erlösausfalls bei Schlachtkühen, der durch den Preisrückgang ab der Kalenderwoche 27 entstanden ist, basiert auf der Annahme, dass der Erzeugerpreis im Jahr 2018 weiterhin um 6,1% über dem jeweiligen wöchentlichen Durchschnittspreis der Jahre 2015-2017 gelegen hätte. Demzufolge ist in der Kalenderwoche 33 bereits ein Erlösrückgang um 38 Euro je 100 kg Kaltgewicht bzw. mehr als 115 Euro je Tier (bei durchschnittlich ca. 303 kg/Tier) gegenüber dem theoretisch errechneten Erzeugerpreis entstanden. Bei einem Schlachtaufkommen von 18.551 Tieren entspricht das allein in der Kalenderwoche 33 einem Erlösrückgang von mehr als 2,1 Mio. Euro. Auf den gesamten Zeitraum zwischen den Kalenderwochen 27 und 34 bezogen resultiert bereits bei Schlachtkühen ein Erlösrückgang von ca. 9,88 Mio. Euro.

Die Preisentwicklung und somit auch der kumulierte Erlösrückgang auf dem Markt für Schlachtkühe werden vom weiteren Verlauf des Schlachtaufkommens bestimmt. Vorgezogene Schlachtungen im Juli und August 2018 müssten ein geringeres Angebot an Schlachtkühen in den folgenden Monaten nach sich ziehen, sodass daraufhin wieder von steigenden Erzeugererlösen auszugehen ist. Sollte aber wegen der flächendeckenden Futterknappheit eine größere Bestandsreduzierung unausweichlich sein, ist mit noch stärkeren Preisrückgängen als im Juli und August 2018 zu rechnen.

Fazit

Der Erntebericht 2018 belegt die durch Dürre entstandenen Ernteeinbußen bei Getreide und Raps. Der relative Ertragsrückgang fällt noch höher aus, wenn nicht der schon unterdurchschnittliche Wert des Vorjahres als Bezugsgröße, sondern die mit Hilfe einer linearen Regression für 2018 geschätzte Ertragserwartung gewählt wird.

Der ab Juli 2018 zu beobachtende internationale Getreidepreisanstieg führt auch in Deutschland zu einem Erzeugerpreisniveau, dass bei Getreide zuletzt im Jahr 2013 erreicht wurde. Reine Ackerbaubetriebe können somit in gewissem Umfang die Mindererträge durch höhere Markterlöse kompensieren. Veredlungsbetriebe hingegen können nicht von den höheren Getreideerlösen profitieren, wenn sie ihre eigene Erzeugung innerbetrieblich verwerten, bzw. sind von steigenden Futtermittelkosten beim Zukauf negativ betroffen.

Die Dürre wirkt sich ebenfalls auf Futterbaubetriebe aus. Fehlender Grünlandaufwuchs im Sommer und geringere Silomaiserträge führt zunehmend zu Problemen bei der Futterversorgung im folgenden Winter. Vereinzelt wird sogar berichtet, dass bereits im Juli und August auf Winterfutter zurückgegriffen werden musste. Sollten die Schlachtzahlen in den nächsten Wochen und Monaten wegen Futtermangels deutlich über das Niveau der Vorjahre hinausgehen, sind Preisrückgänge bei den Erzeugererlösen zu erwarten, so wie es sich bei Schlachtkühen im Juli und August beobachten ließ.

 

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