Skip to main content

Ein Beitrag von Prof. Dr. Matin Qaim der Abteilung für Welternährungswirtschaft und Rurale Entwicklung über das zusammen mit Kollegen entstandene Positionspapier in der Fachzeitschrift Science

Die Pflanzenzüchtung hat in den letzten Jahren rasante technologische Entwicklungen erlebt. Molekulargenetische Analysemethoden zusammen mit neuen Verfahren der Genomeditierung – wie etwa CRISPR/Cas – erlauben seit kurzem genetische Veränderungen mit viel höherer Präzision und Effizienz als je zuvor. Anders als bei den klassischen Verfahren der Gentechnik, wo meist Gene aus anderen Arten übertragen werden, ermöglicht die Genomeditierung gezielte Punktmutationen. Hierdurch lassen sich gewünschte Pflanzeneigenschaften auch ohne die Übertragung artfremder Gene entwickeln.

In einem Positionspapier, welches kürzlich in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht wurde, zeigen wir auf, dass die neuen Methoden der Genomeditierung einen wichtigen Beitrag zur Hungerbekämpfung und zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele leisten können. CRISPR/Cas und ähnliche andere Verfahren können helfen, die Landwirtschaft ertragreicher und umweltfreundlicher zu machen. An dem Positionspapier sind Wissenschaftler aus öffentlichen Forschungseinrichtungen in verschiedenen Ländern beteiligt, unter anderem aus Deutschland, Belgien, Pakistan, den Philippinen und Saudi Arabien.

Wir rufen dazu auf, die neuen Züchtungstechnologien verantwortungsvoll zu nutzen und zu fördern.


Auch in der Vergangenheit hat die Pflanzenzüchtung zusammen mit anderen Agrartechnologien erheblich zur Reduktion des Hungers beigetragen. Mitte des 20. Jahrhunderts hungerte noch jeder zweite Mensch weltweit, heute nur noch jeder Zehnte – und das obwohl sich die Weltbevölkerung in den letzten 70 Jahren verdreifacht hat. Dieser Erfolg war nur durch den technischen Fortschritt in der Landwirtschaft möglich, der die Erträge in der Nahrungsproduktion mehr als verdreifachte. Allerdings haben sich durch den intensiven Chemieeinsatz auch gravierende Umweltprobleme ergeben. Zukünftige Technologieentwicklungen müssen diese Umweltprobleme reduzieren und die Landwirtschaft gleichzeitig robuster gegen Klimastress machen. Prognosen zeigen, dass vor allem die Kleinbauern in Afrika und Asien besonders unter dem Klimawandel leiden werden.

Mit Hilfe der Genomeditierung können nun viel gezielter Pflanzen entwickelt werden, die resistent gegen Krankheiten, Schädlinge sowie Hitze und Trockenheit sind. Dadurch lassen sich sowohl Ertragsausfälle als auch der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel reduzieren. Die neuen Verfahren werden bereits bei wichtigen Getreidearten – wie Mais, Weizen und Reis – eingesetzt. Wegen der geringen Kosten kann die Genomeditierung aber auch gut zur Verbesserung vernachlässigter Nahrungspflanzen – wie Bananen, Hülsenfrüchte oder lokale Gemüsearten – verwendet werden.

Im Positionspapier zeigen wir auf, welche konkreten Technologien zur Anwendung in Entwicklungsländern in den nächsten fünf Jahren fertig entwickelt sein könnten. Dazu gehören unter anderem Krankheitsresistenz bei Weizen, Reis, Bananen und Maniok sowie Trockentoleranz bei Mais. Allerdings sind internationale Kooperationen wichtig, damit auch die ärmsten Länder und die ärmsten Kleinbauern von den Innovationen profitieren können.

Einige Anti-Biotech-Gruppierungen versuchen die neuen Züchtungstechnologien dadurch zu bremsen, dass sie auf ein erhöhtes Gefahrenpotential hinweisen, für das es aber keinerlei wissenschaftliche Anhaltspunkte gibt. Wir sollten die Fehler, die bei der klassischen Gentechnik gemacht wurden, nicht wiederholen. Die mangelnde öffentliche Akzeptanz und die hohen Zulassungshürden für transgene Pflanzen (also solche, die artfremde Gene enthalten) haben zur Konzentration der Gentechnikforschung auf wenige große Kulturarten und wenige multinationale Konzerne beigetragen. Das ist schlecht. Wir brauchen eindeutig mehr Vielfalt und mehr Wettbewerb auf dem Acker und in den Saatgutmärkten. Genomeditierte Pflanzen mit Punktmutationen enthalten keine artfremden Gene und sind aufgrund der größeren Präzision in der Züchtung mindestens ebenso sicher wie konventionell gezüchtete Sorten. Insofern sollten genomeditierte Pflanzen anders betrachtet werden als transgene Pflanzen und auch anders reguliert werden.

In Europa ringt man noch um die Zulassungsregeln für genomeditierte Pflanzen. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Sommer 2018 fallen diese Pflanzen derzeit unter das Gentechnikrecht. Ich halte das für sehr bedauerlich, weil dadurch der falsche Eindruck entsteht, dass genomeditierte Pflanzen gefährlich sind. Unnötige Regulierungshürden bremsen eine viel versprechende Technologie und einen wichtigen Wirtschaftszweig bei uns. Darüber hinaus sollten wir uns darüber bewusst sein, dass die Regulierung neuer Züchtungstechnologien in Europa auch einen starken Einfluss auf die Entwicklungsländer hat, so dass viele der Potenziale für die Welternährung nicht genutzt werden könnten.

Allerdings wird in Europa derzeit über eine Reform des Gentechnikrechts nachgedacht, um neuen Entwicklungen und Herausforderungen besser gerecht werden zu können. Sich für eine solche Reform stark zu machen erfordert Mut von den politischen Parteien, weil die Gentechnik im Bereich der Landwirtschaft in Europa gänzlich unpopulär ist.

Ich hoffe dennoch, dass der nötige politische Mut aufgebracht wird und dass es eine vorurteilsfreie gesellschaftliche Diskussion über die Potentiale und Grenzen der neuen Züchtungstechnologien geben wird. Natürlich ist das Welternährungsproblem nicht allein durch Technologie zu lösen, aber ohne intelligente neue Technologien wird nachhaltige Entwicklung eben auch nicht möglich sein.

Das Positionspapier erschien am 29.03.2019 in der Fachzeitschrift Science und kann dort nachgelesen werden: https://doi.org/10.1126/science.aav6316

Kommentar verfassen