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Ein Gastbeitrag von Caren Pauler der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg


Hochlandrinder sind anders als andere Rinder – das sieht man auf den ersten Blick. Es ist nicht nur ihr langes, zottiges Fell, das ihnen tief in die Stirn fällt und das sie gegen Wind, Regen und Schnee schützt. Es sind auch nicht nur ihre ausschweifenden Hörner, die sich so wunderbar auf Postkarten und Kalenderbildern machen. Es ist diese Aura der Urtümlichkeit, die die Hochlandrinder umgibt und von der sich viele Menschen angezogen fühlen. Diese Urtümlichkeit ist mehr als nur ein Gefühl. Sie ist die Folge einer züchterischen Zurückhaltung: Während andere Rassen in den vergangenen Jahrzehnten durch gezielte Zucht ihr Körpergewicht verdoppelten oder ihre Milchleistung verdreifachten, blieb das Hochlandrind mehr oder weniger wie es war: klein, genügsam, robust. 

Hochlandrinder werden heute zu den Extensivrindern gezählt, denn mit ihnen ist keine intensive, auf hohe Erträge ausgerichtete Landwirtschaft möglich. Ihre Stärke liegt dort, wo die leistungsorientierten Rassen an ihre Grenzen kommen: In steilen Hanglagen, auf besonders trockenem oder besonders nassem Untergrund, auf Weiden die so nährstoffarm sind, dass andere Rinder nicht satt würden. Denn Hochlandrinder sind leicht: sie kommen mit Steigung und Feuchtgebieten zurecht ohne die Grasnarbe zu zerstören. Und sie sind anspruchslos: sie kümmern sich weniger als andere Rinder darum, ob eine Pflanze nun nahrhaft, giftig oder stachelig ist. Sie wachsen so langsam, dass sie kein Kraftfutter und saftigste Weiden brauchen. Stattdessen fressen sie, was ihnen vors Maul kommt

(Foto: Caren Pauler)

Was aber – haben wir uns gefragt – machen all diese Unterschiede eigentlich mit den Weideflächen, auf denen die Rinder stehen? Wenn Hochlandrinder anders fressen und den Untergrund weniger zertreten, müsste sich das dann nicht langfristig auf die Pflanzengemeinschaft auswirken?

Um diese Fragen zu beantworten haben wir – ein Team aus Forschern der Universitäten Göttingen und Heidelberg sowie vom schweizerischen Agrarforschungsinstitut Agroscope – in den süddeutschen Mittelgebirgen und den Schweizer (Vor-)Alpen nach Versuchsflächen gesucht. Gefunden haben wir 25 Flächen, die seit fünf Jahren oder länger von Hochlandrindern beweidet wurden. So lange braucht die Vegetation mindestens, um sich an die Beweidung anzupassen. Dann haben wir jeweils die Pflanzengemeinschaft dieser Hochlandrinder-Fläche mit einer benachbarten Weide verglichen, auf der eine leistungsorientierte Rinderrasse grast. Wir haben besonders darauf geachtet, dass die beiden Weiden sehr ähnlich sind, also z.B. die gleiche Neigung besitzen, nicht gemäht oder gedüngt und mit gleicher Intensität bewirtschaftet werden. Denn: wenn sich ein Unterschied findet, obwohl die Weiden ansonsten gleich sind, muss die Rinderrasse für diesen Unterschied verantwortlich sein. 

(Foto: Caren Pauler)

Wir fanden tatsächlich Unterschiede. Das Auffälligste war, dass auf den Hochlandrinder-Weiden deutlich mehr Pflanzenarten wuchsen als auf den Nachbarweiden. Um das zu verstehen, haben wir die Pflanzeneigenschaften genauer untersucht: Wir haben auf den Hochlandrinder-Weiden weniger Pflanzenarten gefunden, die besonders gut an Trittbelastung und Beweidung angepasst sind. Zu diesen Arten gehört zum Beispiel der Breitwegerich, Brennnesseln, Disteln und Sauerampfer. Hochlandrinder fördern durch ihr geringes Gewicht und ihr weniger wählerisches Fressen diese Arten nicht so sehr. Auf den Weiden von schweren, leistungsorientierten Rassen haben dagegen oft nur tritt- und fraß-resistente Arten eine Chance. Empfindlichere Pflanzen werden zertrampelt oder von den Arten überwachsen, die sich wie die Brennnesseln oder Disteln schützen und dadurch stark ausbreiten. Auf Hochlandrinder-Weiden können dagegen auch weniger spezialisierte Pflanzen gedeihen – und die Artenvielfalt steigt. 

Zusätzlich haben wir dort, wo Hochlandrinder gehalten wurden, mehr Pflanzen gefunden, die ihre Samen über das Fell von Tieren ausbreiten. Viele dieser Arten sind inzwischen bedroht, weil unser Vieh vor allem im Stall steht und es kaum noch Wanderschäfer gibt. Das lange Fell der Hochlandrinder ist die perfekte Transportmöglichkeit für diese Arten und auch das trägt zur Artenvielfalt bei. Besonders eindrücklich war für uns, dass diese Effekte mit der Zeit zunehmen. Die Weiden, auf der die Hochlandrinder erst fünf Jahre standen, unterschieden sich wenig von den anderen. Aber je länger die Hochlandrinder schon eine Weide nutzten, desto mehr Arten wuchsen dort im Vergleich zur Nachbarweide. Die Urtümlichkeit der Hochlandrinder, ihre Genügsamkeit und ihr geringes Gewicht haben also ganz konkrete Auswirkungen auf die Vegetation. Wir haben in unserer Studie nur Hochlandrinder untersucht und keine anderen Extensivrinder, aber es liegt nahe, dass sich auch andere traditionelle Rassen ähnlich verhalten. 

(Foto: Caren Pauler)

Natürlich kann nicht jeder Bauer auf Extensivrinder umsteigen. Ihre Milch- und Fleischleistung sind weit davon entfernt, den menschlichen Bedarf zu decken und preislich mit der intensiven Tierhaltung mitzuhalten. Aber dort, wo die Nutzung ohnehin schwierig ist, weil die Flächen zu steil, zu nass, zu trocken, zu entlegen oder zu verbuscht sind, da sind sie eine wertvolle Alternative. Dort liefern sie unter schlechtesten Bedingungen noch Fleisch – ganz langsam zwar, aber dafür erhalten sie uns die bedrohte Artenvielfalt dieser schützenswerten Standorte oder bringen sie sogar zurück.


Originalveröffentlichung: Pauler C.M., Isselstein J., Braunbeck T., Schneider M.K. Influence of Highland and production-oriented cattle breeds on pasture vegetation: a pairwise assessment across broad environmental gradients. Agriculture, Ecosystems and Environment (2019). Doi: https://doi.org/10.1016/j.agee.2019.106585

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