Skip to main content

– ein Gastbeitrag von Julia Ostermann der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Dr. Dimitry Wintermantel des Französischen Institut für Agrarwissenschaften (INRA)

Ein internationales Forscherteam konnte in einem Freilandversuch in Schweden erneut nachweisen, dass Hummeln empfindlicher auf Clothianidin reagieren als Honigbienen. Während Honigbienen Umweltveränderungen kompensieren können, produzieren Völker der dunklen Erdhummel weniger Königinnen, wenn sie dem Insektizid ausgesetzt sind.

Wildbienenmonitoring während der Projektdurchführung in einem Rapsfeld. Alle Arbeiten der Wissenschaftler wurden „blind“ durchgeführt, das heißt, durch eine Kodierung wussten die Mitwirkenden nicht, welche Felder mit Clothianidin gebeizt waren und welche als Kontrolle dienten. (Foto: Maj Rundlöf)

Viele landwirtschaftliche Produkte sind auf die Bestäubung durch Insekten, besonders durch Bienen, angewiesen, um Früchte oder Samen auszubilden. Berichte über Rückgänge von wilden Bestäubern und hohen Winterverlusten von Honigbienen sind alarmierend für die Lebensmittelsicherheit. Neben Krankheiten und Blütenarmut bedroht insbesondere der Einsatz von Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft Bienen. Neonicotinoide werden weltweit zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Diese Insektizide sind systemisch. Das bedeutet, dass der Wirkstoff sich in allen Teilen der Pflanze, inklusive dem Pollen und dem Nektar ausbreitet, auch wenn er nur auf die Samen gebeizt wurde. Daher sind Bienen, welche sich ausschließlich von Pollen und Nektar ernähren, diesen Nervengiften ausgesetzt. In Laborstudien zeigt sich, dass Neonicotinoide die Fähigkeit zur Fortpflanzung und Nahrungssuche beeinträchtigen. Aus diesem Grund wurde im Dezember 2013 die Nutzung der drei Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam in bienenattraktiven Kulturpflanzen in der EU verboten. Das Verbot sollte allerdings nur solange gelten bis neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Bienensicherheit der Pflanzenschutzmittel vorliegen.

Eine Königin der Dunklen Erdhummel (Bombus terrestris) fliegt durch das Rapsfeld. Wildbienen scheinen weniger robust gegen den Einflüssen von Neonikotinoiden zu sein, als Honigbienen. (Foto: Maj Rundlöf)

Im April 2015 sorgten schwedische Forscher für Schlagzeilen: Sie konnten im Freiland nachweisen, dass Bienen durch Clothianidin nachweislich geschädigt werden. „Es war eine der ersten großen Feldstudien, die dies nachwies“, erklärt die Studienleiterin Maj Rundlöf von der Universität Lund. Während Honigbienen vom Einsatz von Clothianidin in Rapsfeldern nicht negativ beeinflusst wurden, waren Hummeln und solitäre Wildbienen stark beeinträchtigt. Diese Ergebnisse führten im Dezember 2018 zusammen mit vielen weiteren Studien zum dauerhaften Verbot der Substanzen im Freiland innerhalb der EU.

Überprüfung der Volksstärke der Honigbienen (Apis mellifera) neben einem Rapsfeld mit der Liebefelder Methode. Die anfangs 96 Völker wurden von einem professionellen Imker gestellt und danach immer von derselben Person inspiziert. (Foto: Maj Rundlöf)

Diese einflussreiche Studie wurde um detaillierte Untersuchungen der Hummel- und Honigbienenvölker erweitert. Die Ergebnisse, welche die Feldstudie von 2015 bestätigen, wurden im Dezember 2018 und im Frühling 2019 in zwei Studien in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht. Im Zentrum der neuen Untersuchungen, stand die Frage ob Neonicotinoide das Immunsystem der Bienen schwächen und sie so anfälliger für Krankheiten machen. Laborergebnisse hatten dies nahegelegt, allerdings „wurde dies so noch nicht im Freiland untersucht“, wie die Erstautoren der Studien, Julia Osterman von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Dr. Dimitry Wintermantel vom Französischen Institut für Agrarwissenschaften (INRA) betonen. Dafür forschten sie an Völkern die während einer Rapsblüte (Hummeln) bzw. den Rapsblüten in zwei aufeinanderfolgenden Jahren (Honigbienen) im Studiengebiet platziert wurden. Die Ergebnisse der Versuche an Honigbienenvölkern überraschte die Forscher, da sie weniger Krankheitserreger in Völkern fanden, die an Clothianidin behandelten Feldern platziert wurden. Zusätzlich zeigten Völker die dem Insektizid ausgesetzt wurden sogar eine erhöhte Brutproduktion und einen höheren Zuwachs an erwachsenen Bienen während der Rapsblüte im Vergleich zu den Kontrollvölkern. Die Völker unterschieden sich allerdings nicht in der Wintersterblichkeit, der Honigproduktion oder der Wahrscheinlichkeit zu schwärmen.

Eine Honigbiene (Apis mellifera) an einer Rapsblüte. Raps ist eine wichtige Massentracht im Frühjahr. (Foto: Albin Andersson)

Im Gegensatz zu Honigbienen, die sich als widerstandsfähig erwiesen, wurden Hummelvölker durch den Einsatz von Clothianidin erheblich beeinträchtigt. Erwachsene Arbeiterinnen waren 5 Prozent kleiner, und Drohnenpuppen 20 Prozent leichter als in Kontrollvölkern. Außerdem produzierten sie 74 Prozent weniger Königinnen und 66 Prozent weniger Drohnen. „Dieses Ergebnis ist besonders besorgniserregend“, erklärt Dr. Wintermantel „ denn bei Hummeln überwintern nur die neugeborenen Königinnen.“

Honigbienenvölker, bestehend aus mehreren 10.000 Individuen, scheinen durch eine hohe Anpassungsfähigkeit Umwelteinflüsse besser kompensieren zu können als Hummelvölker. Deswegen erscheint es den Forschern wichtig Versuche an Wildbienen vor der Zulassung von Pflanzenschutzmittel durchzuführen. Ihre Ergebnisse bestätigen zudem das EU-weite Verbot für den Einsatz von drei Neonicotinoiden im Freiland. 

Pollen, der von Honigbienen gesammelt wurde. Um zu bestimmen welchen Pollen die Honigbienen eingesammelt haben, wurden Pollenfallen an den Beuten angebracht. (Foto: Maj Rundlöf)

Quellen:

Rundlöf et al. (2015) Seed coating with a neonicotinoid insecticide negatively affects wild bees. Nature 521, 77-80.

Osterman et al. (2019) Clothianidin seed-treatment has no detectable negative impact on honeybee colonies and their pathogens. Nature Communications, 10, 692.

Wintermantel et al. (2018) Field-level clothianidin exposure affects bumblebees but generally not their pathogens. Nature Communications 9, 5446.

 

Kontakt: jul.osterman@gmail.comdywintermantel@gmail.com

 

Kommentar verfassen