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Das im letzten Jahr beschlossene Agrarpaket sieht u.a. eine Kürzung der Direktzahlungen an Landwirte vor. Der Prozentsatz der Umschichtung der Fördermittel von der 1. in die 2. Säule wird von 4,5% auf 6% angehoben. Im Schnitt bedeutet dies eine Kürzung der Direktzahlungen von 4,50 € pro Hektar und gleichzeitig einen Transfer von 75 Mio. € in die zweite Säule. Dort werden die Mittel für Agrarumweltmaßnahmen zur Verfügung stehen. Wie diese Umschichtung einzuschätzen ist, diskutierten am 28.01.2020 an der Universität Göttingen Prof. Dr. Stephan von Cramon-Taubadel (Universität Göttingen), Markus Gerhardy (Landvolk Göttingen), Tobias Reichert (Germanwatch) und Prof. Dr. Ludwig Theuvsen (Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbaucherschutz).

Zum Nachlesen und Nachhören gibt es hier die Stellungnahmen der Diskutanten, als auch das Meinungsbild und die Fragen des Publikums. Die Kommentarfunktion soll zum weiteren Diskutieren einladen!


Prof. Dr. Stephan von Cramon-Taubadel

Professor für Agrarpolitik / Universität Göttingen

Die einfache Antwort auf die gestellte Frage lautet: ‚grundsätzlich Ja‘. Die durch die beschlossene zusätzliche Umschichtung verursachte Kürzung der Direktzahlungen ist verhältnismäßig gering (ca. 4,50 Euro pro Hektar) und wird die Einkommenssituation vieler landwirtschaftlicher Betriebe nicht substanziell verschlechtern. Wenn die entstehende Aufstockung der 2. Säule in Höhe von 75 Mio. Euro sinnvoll eingesetzt wird, können positive Effekte für Umwelt und Klima generiert werden.

Aber diese Umschichtung ist nur eine vergleichsweise kleine Ad-hoc-Maßnahme eines EU-Mitgliedslands im vorläufig letzten Jahr der gegenwärtigen siebenjährigen Förderperiode. Die Diskussion darüber darf nicht von der notwendigen Grundsatzdebatte über die Zukunft der Direktzahlungen ablenken.

Auch nach dieser Umschichtung werden jährlich 4,8 Mrd. Euro an Direktzahlungen in Deutschland verteilt und häufig mit der Notwendigkeit einer Einkommensstützung begründet. Allerdings ist nur wenig über die Einkommenssituation der landwirtschaftlichen Haushalte in Deutschland bekannt, denn offizielle Statistiken enthalten lediglich Angaben über landwirtschaftliches Einkommen, aber nicht über nicht-landwirtschaftliches Einkommen. Direktzahlungen werden nach dem Gießkannenprinzip pro Hektar Agrarfläche ohne jegliche Bedürftigkeitsprüfung verteilt. Das ist im Grunde so, als würden soziale Transferleistungen in Deutschland nach der Wohnfläche der Haushalte bemessen. Natürlich profitierten davon auch einige bedürftige Haushalte, doch wäre die Zielgenauigkeit der Einkommensstützung nicht gegeben.

Im Jahr 2018 erhielten 5330 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland Direktzahlungen von mehr als 100.000 Euro. Insgesamt wurden 1,26 Mrd. Euro an diese Betriebe ausgezahlt, d.h. 1,7% der Betriebe bekamen 26% aller Direktzahlungen. Aber zählen diese Betriebe wirklich zu den bedürftigsten in Deutschland? Die Zielgenauigkeit der Direktzahlungen wird zusätzlich reduziert, weil diese zumindest teilweise an Verpächter weitergereicht werden, die häufig nicht in der Landwirtschaft tätig sind.

Wenn Einkommensstützung auch zukünftig als Begründung für die Direktzahlungen dienen soll, dann müssen die Mitgliedstaaten endlich zur Erstellung umfassender Statistiken über das Einkommen der landwirtschaftlichen Haushalte verpflichtet werden. Erst dann könnte eine faktenbasierte Diskussion über mögliche Umschichtungen aus der 1. Säule zugunsten anderer  Aufgaben wie der 2. Säule stattfinden.

Leseempfehlung:

Verteilung der Direktzahlungen in den Mitgliedsstaaten der EU: „Distribution of direct aid to farmers – indicative figures 2018 financial year“ by the European Commission


Markus Gerhardy

stellvertretender Vorsitzender / Landvolk Göttingen Kreisbauernverband e.V.

Die GAP hat sich von einer Politik der Preisstützung hin zu weitestgehend entkoppelten Direktzahlungen mit zunehmenden ökologischen Anforderungen weiterentwickelt.

Basis der aktuellen Agrarpolitik ist das Zweisäulenmodell.

Das Agrarpaket der Bundesregierung aus dem Jahr 2019 beinhaltet:

  • Ein staatliches Tierwohllabel
  • Das Aktionsprogramm Insektenschutz
  • Die Steigerung der Umschichtung der Agrarmittel von der ersten in die zweite Säule von derzeit 4,5% auf 6%

Durch die Reduzierung der nationalen Obergrenze für Direktzahlungen und eine Erhöhung des Umschichtungssatzes von 4,5% auf 6% werden die Direktzahlungen in Deutschland bereits im Jahr 2020 um 16.20 €/ha gekürzt.

Die Direktzahlungen sind in hohem Maße ergebniswirksam und ermöglichen vielen Betrieben erst ein positives Unternehmensergebnis. Eine trotz Brexit stabile finanzielle Ausstattung und eine starke Basisprämie müssen daher das Fundament der zukünftigen GAP sein. Bei knapp 50% Eigenflächenanteil ist eine Kürzung der Direktzahlungen nur begrenzt durch eine Pachtreduzierung kompensierbar. Die Teilüberwälzung der Direktzahlungen auf den Verpächter hilft vielfach bei der Alterssicherung ehemaliger Landwirte und stärkt den ländlichen Raum. Weitere Faktoren, die den Bodenmarkt anheizen sind die Düngeverordnung, Infrastrukturmaßnahmen, Flächenbedarf für den Naturschutz usw.

Die erhöhten ökologischen Anforderungen kommen in der neuen Architektur der GAP zum Ausdruck. Im Rahmen der erweiterten Konditionalität werden die Standards für die Erhaltung von Flächen in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ), sowie die Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) als Voraussetzung für die Gewährung der Basisprämie gesetzt. Dies geht über die bisherigen Anforderungen von Cross Compliance und Greening hinaus und reduziert die Ergebniswirksamkeit der Direktzahlungen.

Die neuen Eco-Schemes sind freiwillige, einjährige Maßnahmen der ersten Säule mit der Zielsetzung Klimaschutz und Biodiversität. Sie sollten produktionsintegriert umgesetzt werden und regionale Anforderungen und Möglichkeiten berücksichtigen. Bekannte Elemente aus dem bisherigen Greeningkatalog (Blühstreifen, Randstreifen, Anbaudiversifizierung oder Zwischenfrüchte) sind hierbei genauso denkbar wie innovative Kriterien (durchschnittliche Schlaggröße).

Maßnahmen der zweiten Säule müssen wirtschaftliche Anreize bieten damit sich der Betriebszweig Biodiversitäts- und Klimaschutz in den landwirtschaftlichen Betrieben lohnt. Kooperative Ansätze sind hierbei wünschenswert.

Der Wunsch eines landwirtschaftlichen Betriebes ist es sein betriebliches Einkommen durch die Honorierung seiner Produkte und Leistungen zu erwirtschaften. Ein Wettbewerb mit Produkten, die unter anderen Produktionsbedingungen hergestellt werden begrenzt diesen Wunsch.

Leseempfehlung:

DBV Situationsbericht: Situationsbericht 2019/20

DBV-Positionspapier Grüne Architektur und Eco-Schemes


Tobias Reichert

Teamleiter Welternährung, Landnutzung und Handel / Germanwatch e.V.

Deutschland, die EU und die Welt stehen vor gewaltigen Herausforderungen. Um die Erderhitzung auf ein beherrschbares Maß zu begrenzen, müssen  die Treibhausgasemissionen in den nächsten dreißig Jahren auf null fallen. Der drastische Verlust der biologischen Vielfalt  muss  aufgehalten und die Belastung  der Gewässer und Meere mit zu vielen Nährstoffen muss beendet werden. Gleichzeitig müssen sich Einkommen und Lebensbedingungen im ländlichen Raum verbessern.  Die internationale Gemeinschaft hat mit den globalen Nachhaltigkeitszielen (SDG) und dem Pariser Klimaabkommen Lösungen versprochen.  Deutschland und EU  haben dies in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und im European Green Deal aufgegriffen.

Die Landwirtschaft ist für keines der Probleme allein verantwortlich – muss zu ihrer Lösung aber beitragen. Die EU hat daher angekündigt, die Gemeinsame Agrarpolitik an den SDG auszurichten. Mit den bisherigen Instrumenten, besonders den flächengebundenen Direktzahlungen lässt sich das nicht erreichen.

Beispiel Klima:

Emissionen aus der Landwirtschaft lassen sich vor allem durch zwei Maßnahmen erzielen:

  • deutliche Reduktion der Tierbestände
  • Umnutzung und möglichst geringe Entwässerung der Moorböden.

Geflügel- und Schweinehaltung, zunehmend auch die Milchviehhaltung, erfolgt mit immer weniger betriebseigener Fläche.  Moorböden machen weniger als 5% der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland aus. Die Veränderungen müssen also auf relativ geringer Fläche unterstützt werden.

Die Direktzahlungen der ersten Säule sind wegen ihrer Flächenbindung und des jährlichen Charakters dafür nicht geeignet. Das postulierte Ziel der Einkommensstützung ist mit flächengebundenen Zahlungen nicht zu erreichen.

Die in diesem Jahr zu beschließende neue GAP sollte daher die Flächenprämien so weit wie möglich durch an den SDG ausgerichtete zielgerichtete Maßnahmen ersetzen, zum Beispiel zum Umbau der Tierhaltung. Die erste Säule sollte vor allem als Mittel zur gezielten Preisstabilisierung genutzt werden, indem Anreize zu verringerter Erzeugung bei sinkenden Preisen finanziert werden.

Leseempfehlung:

Quantifizierung von Maßnahmenvorschlägen der deutschen Zivilgesellschaft zu THG – Minderungspotenzialen in der Landwirtschaft bis 2030 (Öko-Institut e.V.)

Amtsblatt der Europäischen Union: Stellungnahme des Rechnungshofs zu den Vorschlägen der Kommission für Verordnungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik für die Zeit nach 2020

Germanwatch-Vorschlag für eine Neue Agrarpolitik der EU


Prof. Dr. Ludwig Theuvsen

Abteilungsleiter Landwirtschaft, Agrarpolitik und Nachhaltigkeit / Nds. Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Der Umfang einer möglichen Umschichtung von Mitteln aus der 1. in die 2. Säule ist nach meiner Auffassung einer der letzten Planungsschritte für die zukünftige GAP-Förderperiode. Auf der Basis der Entscheidungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und zur GAP auf EU-Ebene sind die Inhalte der Förderpolitik in der 1. und der 2. Säule im nationalen Strategieplan festzulegen. Wichtige Fragen in diesem Zusammenhang sind die folgenden:

  • Welche Konditionalität bestimmt künftig das Basisniveau an Regelungen für die Empfänger von Direktzahlungen?
  • Welche Bedarfe sehen wir im Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz und im Bereich des Tierwohls?
  • Welche Anforderungen erkennen wir für die ländliche Entwicklung?
  • Welche Bedarfe ergeben sich aus den sich vollziehenden Transformationsprozessen in der Landwirtschaft?
  • Welche Eco-Schemes wollen wir deutschlandweit anbieten?

Die Direktzahlungen der nächsten Förderperiode sind nicht mehr dieselben wie zu Zeiten der Entkopplung. Schon heute haben wir mit dem Greening und Cross Compliance eine Bindung der Zahlungen an Umweltleistungen. Dies wird in der kommenden Förderperiode noch stärker der Fall sein. Das Zusammenspiel von 1. und 2. Säule ändert sich zudem grundlegend. Die zukünftigen Eco-Schemes der 1. Säule ähneln in der Zielsetzung Teilen der Agrarumweltprogramme, wie sie bisher bereits aus der 2. Säule bekannt sind. In Deutschland wird daher über die Verlagerung von bestimmten einfachen Agrarumweltmaßnahmen in die Eco-Schemes nachgedacht, so zum Beispiel Blüh- und Altgrasstreifen oder Brachflächen. Dies bedeutet eine etwas andere Fördertechnik, z.B. einjährige Verpflichtungen. Ausreichende Anreize können dabei eine möglichst breite Teilnahme von landwirtschaftlichen Betrieben an den Eco-Schemes bewirken.

Im Ergebnis entlastet dies die 2. Säule erheblich. Ambitioniertere Maßnahmen bleiben in der 2. Säule verankert und können dank der Entlastungswirkung, die von der Verschiebung einzelner Maßnahmen in die Eco-Schemes ausgeht, ausgebaut werden. Damit wäre die Einführung von Eco-Schemes annähernd wirkungsgleich mit einer Umschichtung, allerdings würden für vergleichbare Leistungen mehr Mittel angeboten, um auch mehr Flächen ins System zu bekommen.

Leseempfehlung:

Theuvsen, Ludwig/ Wälzholz, Andrea/ Wilhelm, Jürgen: Nationaler GAP-Strategieplan und Landesperspektiven: Wie passt das zusammen? In: Lange, Joachim (Hrsg.): Zielorientierung in der Gemeinsamen Agrarpolitik: Aber welche Ziele – und welche Mittel? Loccum 2019, S. 43-53.


Abstimmungsergebnisse des Publikums (vor der Debatte):

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