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– ein Beitrag von Martin C. Parlasca des Graduiertenkollegs 1666: Global Food am Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Universität Göttingen


Wenn man mit einem Jeep die Schotterstraßen der Marsabit Region befährt, sieht man vor allem Steine, Sträucher, und Steppe. Hier im Norden Kenias sind Wege zwischen Dörfern lang und beschwerlich. Marsabit ist der zweitgrößte Regierungsbezirk Kenias und gehört gleichzeitig zu den ärmsten und am wenigsten entwickelten Regionen des ostafrikanischen Landes. Trockenheit, Dürren, Überschwemmungen, Heuschreckenplagen und eine vergleichsweise schwache Infrastruktur stellen Schwierigkeiten da, denen die Menschen aus der Region regelmäßig trotzen. 

Hirten bringen ihre Herden zu einer seltenen Wasserstelle.  (Quelle: Martin Parlasca)

Da die weiten Grasflächen des Bezirks für sesshafte Landwirtschaft ungeeignet sind, führen viele Menschen vor Ort eine nomadische oder halb-nomadische Lebensweise, die auf der Haltung und Nutzung von Tieren – wie Rindern, Schafen, Ziegen und Kamelen – basiert. Dieser Lebensweise liegt eine durchaus effiziente und nachhaltige Nutzung der vorhandenen Landfläche zugrunde. Neben den bereits genannten Schwierigkeiten – viele davon durch den Klimawandel weiter verschärft – führt der Fokus auf Viehhaltung allerdings auch dazu, dass vielen Teilen der Bevölkerung oft nur wenige und unausgewogene Nahrungsmittel zur Verfügung stehen. Saisonale und chronische Mangelernährung sind daher weit verbreitet und führen zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen. 

Neben diesen Schwierigkeiten hat sich in den letzten Jahren aber auch gezeigt, dass Mobiltelefone, welche erst seit gut einem Jahrzehnt in der Region verfügbar sind, den Hirten bei zahlreichen Schlüsselaktivitäten äußerst hilfreich sein können. In ländlichen Regionen Subsahara Afrikas ermöglichen Mobiltelefone eine neue Art von Kommunikation, die in puncto Geschwindigkeit und Flexibilität von keinem anderen Kommunikationsmedium erreicht wird. Da die Kommunikation via Handy oft mündlich erfolgt, können viele Hirten Mobiltelefone außerdem vergleichsweise leicht nutzen: Mündliche Kommunikation ist für den Informationsaustausch unter Hirten immer noch von größter Bedeutung, gerade weil die geringe Alphabetisierung, die bei vielen Hirtengemeinschaften immer noch vorzufinden ist, andere Formen der Kommunikation auf der Grundlage von geschriebenen Wörtern oder Zahlen sehr erschwert.

Die Mischung aus Mais und Bohnen, genannt Githeri, ist eine traditionelles Gericht in weiten Teilen Kenias. Es macht satt, hat jedoch vergleichsweise wenige Mikronährstoffe. Hier wird Githeri für Schulkinder vorbereitet. Insbesondere für Kinder ist eine ausgewogene Ernährung sehr wichtig. (Quelle: Martin Parlasca)

Folglich setzen Hirten Mobiltelefone oft und vielseitig ein. Zum Bespiel werden über das Handy Informationen gesammelt bezüglich aktueller Verkaufspreise von Nutztieren an den nächstliegenden Märkten, über Orte mit qualitativ hochwertigen Weideflächen, über mögliche bevorstehende Angriffe von rivalisierenden Stämmen, oder über Wetterbedingungen in anderen Teilen der Region. Handys können auch dazu dienen, verschiedenste Formen von Alltagsaufgaben mit Verwandten, Freunden und Geschäftspartnern zu organisieren und zu koordinieren oder um Informationen über Zeit und Ort anstehender Verteilungen von Lebensmittelhilfen zu erfahren und auszutauschen. Insbesondere durch diese beiden letztgenannten Verwendungen könnten Handys in Marsabit Haushalten dabei helfen, Lebensmittel zu beschaffen und dadurch zu einer gesteigerten Ernährungsvielfalt und insgesamt verbesserten Ernährung beitragen.  

In einer aktuellen Studie haben wir genau diese Beziehung zwischen Handynutzung und Ernährung mit umfangreichen Haushaltsdaten aus Marsabit genauer analysiert. Ernährungsvielfalt ist zwar lediglich ein Aspekt, der gesunde Ernährung ausmacht, jedoch zeigen jüngste Studien aus vergleichbaren Regionen (zum Teil ebenfalls von Göttinger Forschern), dass Indikatoren für den Lebensmittelkonsum auf Haushaltsebene durchaus mit individuellen Werten für die Ernährungsvielfalt und die Mikronährstoffaufnahme von Kindern und Erwachsenen korrelieren.  

Die Daten, die wir für unsere Studie verwenden, wurden vom International Livestock Research Institute gesammelt und bestehen aus sechs Umfragewellen, die über den Zeitraum von 2009 bis 2015 durchgeführt wurden. Diese Datengrundlade ist besonders interessant und aussagekräftig, weil sie einen Zeitraum umfasst, in dem der Anteil von Haushalten mit Handybesitz in Marsabit von unter 30% auf über 70% angestiegen ist. 

In der Tat zeigen die Daten, dass sowohl Handybesitz als auch regelmäßige Handynutzung in einem robusten und statistisch signifikanten positiven Zusammenhang mit Ernährungsvielfalt stehen. Die Daten unterstützen deswegen die Hypothese, dass Mobiltelefone zu einer besseren Ernährung für die Hirtenhaushalte beitragen.

Mobiltelefone haben keinen Einfluss auf den Verzehr selbst produzierter Lebensmittel. Vielmehr ergeben sich die positiven Ernährungseffekte dadurch, dass Mobiltelefone zu einem erhöhten Konsum von gekauften Lebensmitteln führen.

Wir gehen daher davon aus, dass Mobiltelefone die Kommunikation und Koordination fördern und dadurch Haushalte einen leichteren Zugang zu gekauften Lebensmitteln haben. 

Bis jetzt verwenden die meisten Hirten übrigens noch klassische Handys und keine Smartphones. Wir rechnen aber damit, dass in den kommenden Jahren Apps und das mobile Internet auch im Norden Kenias eine zunehmend zentrale Rolle in der Alltagsgestaltung einnehmen werden. Ob und wie Smartphones und damit einhergehende technologische Entwicklungen ebenfallls Einfluss auf Ernährung und Gesundheit haben können ist noch weitgehend unerforscht. Fakt ist aber, dass die Hirten im Norden Kenias schon immer schnelle, pragmatische und kreative Lösungen für ihre Herausforderungen gefunden haben. Nur so ist ein Überleben in dieser Region überhaupt möglich.


Originalveröffentlichung (Open Access):

Parlasca, Martin C., Oliver Mußhoff, and Matin Qaim. (2020) „Can mobile phones improve nutrition among pastoral communities? Panel data evidence from Northern Kenya.“ Agricultural Economics. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/agec.12566

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